Expertenstellungnahme zum Coronavirus (COVID-19)

* Diese Informationen wurden durch unser Experten-Update zu SARS-CoV2 und COVID-19 ersetzt *

Der folgende Kommentar wurde von Nicolas Locker, Professor für Virologie, University of Surrey (Vereinigstes Königreich) und Alfredo Garzino-Demo verfasst, der ein Chefredakteur unseres Journals Pathogens and Disease ist, Associate Professor der Mikrobiologie und Immunologie am Institut der Humanvirologie der University of Maryland School of Medicine (USA) und welcher auch mit dem Department der Molekularen Medizin der Universität von Padova (Italien) affiliiert ist.

Stellungnahme vom 3. Februar 2020 Stellungnahme auf English – Expert statement on coronavirus

Aktualisierung vom 17. FebruarUnser Journal Pathogens and Disease hat ein Schwerpunktbeitrag zu Coronaviren publiziert, in dem eine Reihe von Experten zum Ausbruch Stellung nimmt: Coronaviren: ein Musterbeispiel für neuauftretende zoonotische Krankheiten (Originaltitel: Coronaviruses: a paradigm of new emerging zoonotic diseases)

Abstract: Ein neuartiges Coronavirus (2019-nCoV), das Menschen infiziert, ist Ende Dezember 2019 in Wuhan, China, aufgetreten. Seit der Detektion des Ausbruchs hat sich die Infektion schnell ausgebreitet und innerhalb eines Monats zu über 31 000 bestätigten Fällen mit 638 Toten geführt. Laut einer molekularen Analyse könnte 2019-nCoV auf Fledermäuse zurückzuführen sein und mehrere zwischenliegende Tierwirte durchlaufen haben, was auch das zoonotische Potential von Coronaviren betont.

Schlüsselpunkte:

  • Coronaviren (CoV) sind erhebliche Krankheitserreger für Mensch und Tier und werden gewöhnlich mit Infektionen der Atemwege und des Magen-Darm-Trakts assoziiert.
  • Das neue Coronavirus (SARS-CoV-2, zuvor 2019-nCoV genannt) gehört zur Familie der Coronaviridae
  • Die Krankheit, die durch das neue Coronavirus hervorgerufen wird, heißt COVID-19
  • Das neue Coronavirus ist mit den Coronaviren verwandt, die SARS und MERS verursachen
  • Die Nachforschungen nach dem ursprünglichen Tierwirt und den dazwischenliegenden Tierwirten, die zur Infektion des Menschen führten, laufen noch
  • Eine Veränderung eines Oberflächenproteins auf dem neuen Coronavirus hat zur Infektion von Menschen geführt
  • Die aktuelle Forschung richtet sich auf effektive prophylaktische und/oder therapeutische Ansätze
  • Die Entwicklung eines Impfstoffes gegen das neue Coronavirus wird entscheidend sein, da Impfungen das beste Mittel sind, um die Verbreitung von Infektionen zu vermeiden
  • Internationale Zusammenarbeit ist unerlässlich, um die virale Ausbreitung zu stoppen

Was wissen wir über die Virologie des 2019-nCoV Coronaviruses?

Seit Dezember 2019 wurden mehr als 15 000 Menschen mit einem neuartigen Coronavirus infiziert, der 2019-nCoV genannt wurde und Lungenentzündung verursacht, hauptsächlich um die chinesische Wuhan-Provinz herum. Auch wenn die meisten Fälle aus China berichtet werden, wurden nun schon 150 Fälle in über 20 Ländern gemeldet, von Thailand bis Frankreich oder die Vereinigten Staaten von Amerika. Die klinischen Symptome zeigen sich in Patienten vor allem durch Fieber, trockenen Husten, Atemnot, Kopfschmerzen und Lungenentzündung. Der Ausbruch der Krankheit kann auch nach und nach auch zum Atemversagen durch Beschädigung der Alveolen führen und sogar zum Tod, wie schon in über 300 Fällen. Vom Virus verursachte Lungenentzündungen, erhöhte Körpertemperatur, eine Reduzierung der Lymphozytenzahl und neues Lungeninfiltrat in Bruströntgenaufnahmen zählen alle zu den klinischen Anhaltspunkten für Ärzte. Zudem hatten die meisten Fälle Kontakt zum Meeresfrüchtemarkt Wuhans, aber nun hat sich wohl eine Übertragung von Mensch zu Mensch etabliert.“ – Nicolas Locker

Wir wissen, dass das Virus mit einem Fledermausvirus verwandt ist, welcher der Vorgänger von nCoV ist, das heißt, dass es wohl keine Übertragung von Schlangen gab, oder eine versehentliche Freisetzung eines im Labor gefertigten Virus. Das Angiotensin-umwandelnde Enzym 2 (ACE2) wurde als nCoV-Rezeptor ausgemacht und es ist möglich, dass ACE2 von verschiedenen Arten auch als Rezeptor agieren könnte, was bei der Übertragung von Übergangswirten eine wichtige Rolle spielen könnte. Es gibt Anhaltspunkte, dass die zelluläre Protease TMPRSS2 auch in die Replikation des nCoV in Zellen eingebunden ist und, dass sich Inhibitoren von TMPRSS2 auch in der Reduktion der viralen Replikation effektiv gezeigt haben.“ – Alfredo Garzino-Demo

Können Sie diesen Ausbruch in einen Zusammenhang setzen? Wie verhält er sich im Vergleich zu vorherigen Virusausbrüchen?

Obwohl Coronaviren normalerweise für gewöhnliche Erkältungen und milde Krankheiten verantwortlich sind, haben sie in den letzten beiden Jahrzehnten zwei großflächige Pandemien ausgelöst, SARS (Schweres Akutes Atemwegssyndrom) und MERS (Mittlerer Osten Atemwegssyndrom). SARS kam in 2002 auch aus China und hatte 8098 Erkrankte und 774 Tote in 37 Ländern zur Folge, bevor es ausgerottet werden konnte. Der aktuelle Ausbruch hat SARS in der Anzahl der Fälle schon weit überholt. SARS hatte jedoch eine Sterblichkeitsrate von circa 10 %, wohingegen die des 2019-nCoV geringer ist und auf 2 % geschätzt wird. Weil aber über die genaue Anzahl der Fälle noch debattiert wird, ist die Sterblichkeitsrate schwer zu beurteilen.” – Nicolas Locker

Dieser Ausbruch verbreitet sich schneller als bis dahin auftretende oder wiederauftretende Viren. Dazubeitragende Faktoren könnten das Auftreten von Individuen ohne oder nur mit leichten Symptomen sein, die undetektiert bleiben dürften; die relativ zentrale und gut angebundene geografische Lage von Wuhan; die zunehmenden Möglichkeiten von chinesischen Menschen mit dem Flugzeug und Zug zu reisen; und die Überschneidung des Ausbruchs mit dem chinesischen Neujahr, welches eine der Zeiträume ist, in dem Chinesen am meisten reisen.” – Alfredo Garzino-Demo

Was ist die vielversprechenste Forschungsrichtung für aktive Mikrobiologen, um eine potenzielle Behandlung für dieses Virus zu finden?

Dank des schnellen Teilens von biologischen Proben in den letzten Wochen konnten Wissenschaftler das Virus schon sequenzieren und sein Genom analysieren. Über 20 Virenisolate wurden nun sequenziert und analysiert und Wissenschaftler teilen ihre Datenanalysen in den sozialen Medien und veröffentlichen Vorabdrucke, um unsere Erkenntnisse über den 2019-nCoV zu beschleunigen. Dies hat Virologen zudem erlaubt, einen nukleinsäurenbasierten diagnostischen Test für das neue Virus zu publizieren. Dieses unglaublich schnelle Ergebnis hat die Identifizierung von infizierten Patienten beschleunigt und wird dabei helfen den Ursprung des Virus zu verstehen. Durch die verbesserte Detektionsmöglichkeiten lässt sich auch erklären, warum die Anzahl der gemeldeten Fälle so schnell in die Höhe geschossen ist. Andere Gruppen weltweit entwickeln Antikörpertests, die einfach in der Anwendung sind.

Außerdem haben einige Gruppen weltweit erste Erfolge vermeldet, Virenpartikel von bronchoalveoläre Lavageflüssigkeit (BALF) von infizierten Patienten zu gewinnen und zu vermehren. Die Viren griffbereit zu haben wird zweifelsfrei dabei helfen, schneller bei der Suche und dem Design einer Impfung voranzukommen. Im besten Falle wird ein Impfstoff schätzungsweise innerhalb einiger Monate fertig sein, aber klinische Studien werden ihre Zeit (mindestens 18 Monate) brauchen, bevor eine Impfung auf den Markt gebracht werden kann.

Woher kommt also das Virus? Wie schon bei SARS werden die Lungenentzündungsfälle Wuhans mit Lebendtiermärkten in Verbindung gebracht und es scheint, dass sie von einem Virus ausgelöst wurden, das mit einem Vorfahren des SARS-Virus verwandt ist. Wenngleich Fledermäuse und Zibets als Übeltäter verdächtigt werden, bleibt die Tierart, die den Virus wirklich trägt, unbekannt. Allerdings werden die nun vorhandenen Testmöglichkeiten dabei helfen, diese Frage zu lösen. Auch wenn die Fallzahlen in der Hubeiprovinz explodieren, verleiben die Zahlen in anderen Länder relativ niedrig, was eine geringe Mensch-zu-Mensch-Übertagung suggeriert. Die gemeldeten Fälle, in denen die Übertragung durch asymptomatische Patienten geschah, stellen dies aber in Frage.” – Nicolas Locker

Eine Impfung ist ganz klar das wichtigste Hilfsmittel, um die Verbreitung einer Infektion zu verhindern, und die schnelle Verfügbarkeit von Sequenzierungsdaten ist sehr hilfreich. Das gleiche gilt für die Entwicklung von neutralisierenden monoklonalen Antikörpern, die für die Behandlung nützlich werden könnten. Antivirale Stoffe, wie sie in Therapien gegen HIV oder die Grippe eingesetzt werden, werden getestet und die ersten Ergebnisse zeigen wohl auch etwas Wirkung gegen nCoV, was gerade für die Behandlung von schwerwiegende Infektionen ermutigend ist.” – Alfredo Garzino-Demo

Weitere Informationen zu Coronaviren:

Translated from the original by: Carolin Kobras

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