#FEMSmicroBlog: Auf der Suche nach dem verlorenen Elternteil der Lagerbierhefe in Europa

07-12-2022

Die Bierbraukunst besteht seit vielen Jahrhunderten und gerade untergärige Lagerbiere wurden in Europa vor etwa 500 Jahren beliebt. Für den Gärungsprozess von Lagerbieren braucht man den Lagerhefen-Stamm Saccharomyces pastorianus (auch als Saccharomyces carlsbergiensis bekannt), welcher eine Kreuzung der gut charakterisierten Bäckerhefe (Saccharomyces cerevisiae) und dem weniger bekannten Hefestamm Saccharomyces eubayanus ist. S. eubayanus wurde erstmals im Jahr 2011 in Südamerika und seitdem auch in Asien, Nordamerika und Neuseeland isoliert – allerdings noch nie in Europa. Dies warf ein Rätsel auf: S. pastorianus muss in Europa vorgekommen sein, aber es gab keinerlei Belege dafür, dass seine Elternstämme jemals in Europa waren! Nun wurden in der Studie „Identification of European isolates of the lager yeast parent Saccharomyces eubayanusin FEMS Yeast Research zwei Elternstämme in Dublin, Irland, isoliert und damit der geographische Abstand verringert. #FascinatingMicrobes

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***To the original English version: #FEMSmicroBlog: Searching for the missing parent of the lager yeast in Europe***

Saccharomyces cerevisiae und Saccharomyces eubayanus – die Eltern der designierten Lagerhefe. 

Als die Mönche im Mittelalter in Bayern anfingen Lagerbiere zu brauen, dachten sie wahrscheinlich nicht, dass wir über 500 Jahre später immer noch über ihr Gärprodukt staunen würden. Lagerbiere sind nicht nur die am meisten verkauften Biere weltweit, bayerische Untergärung führte auch zur Geburt einer neuen Hefekreuzung.

Tausende Jahre lang und auch noch heute, wurde Saccharomyces cerevisiae zur Herstellung von obergärigen Bieren verwendet. Jedoch beschränkten im 15. und 16. Jahrhundert Gesetze wie das berühmte Bayerische Reinheitsgebot von 1516 das Bierbrauen auf die kälteren Wintermonate und förderten Untergärung.

Wissenschaftler sind sich einig, dass in einer dieser Brauereien Saccharomyces cerevisiae mit einer anderen Hefe-Art gekreuzt wurde und so der Hybridstamm Saccharomyces pastorianus entstand. Dieser kältetolerante Hefe-Sprössling wurde das designierte Gärmittel für Lagerbiere und viele Jahre später suchen Wissenschaftler noch immer nach dem zweiten Elternteil.

Im Jahr 2011 wurde Saccharomyces eubayanus in den patagonischen Anden von Südamerika isoliert und als das zweite Elternteil angesehen. In den darauffolgenden Jahren wurden weitere Isolate in China, Tibet, Neuseeland und Nordamerika gefunden.

Saccharomyces pastorianus ist allerdings höchstwahrscheinlich in einer bayerischen Brauerei entstanden. Daher stellte sich die Frage: Warum hat noch niemand Saccharomyces eubayanus in Europa entdeckt?

Die Lagerhefe Saccharomyces pastorianus entstand im 15. Jahrhundert als Hybridstamm in Deutschland. Das heißt, dass beide Elternstämme zu dieser Zeit in Europa vorkommen mussten.“ John Morrissey, Chefredakteur von FEMS Yeast Research

Nun wurden in der Studie Identification of European isolates of the lager yeast parent Saccharomyces eubayanus(„Identifikation europäischer Isolate des Lagerhefen-Elternstammes Saccharomyces eubayanus“) in FEMS Yeast Research zwei Saccharomyces eubayanus-Stämme in Dublin, Irland, isoliert. Interessanterweise war diese Entdeckung Teil eines Bachelorstudien-Forschungsprogramms in dem Studierende des University College Dublin auf ihrer jährlichen „Hefe-Jagd“ die Saccharomyces eubayanus-Stämme in einem holzigen Bereich ihres Universitätsgeländes gefunden haben.

 

Irischer Saccharomyces eubayanus ist nicht der nächste Verwandte des Lagerhefen-Elternstamms

Wie erwartet von S. eubayanus, wachsen die Isolate in kühleren Temperaturen. Aber die neuen Stämme rufen auch neue Rätsel hervor: Zum Beispiel kann S. pastorianus Glukose, Maltose und Maltotriose durch designierte Transporter für jeden Zucker transportieren und verwerten. Da S. cerevisiae kein funktionelles Gen für einen Maltotriosetransporter besitzt, wurde angenommen, dass das Gen für den Maltotriosetransporter von S. eubayanus kam. Jedoch besitzen die irischen S. eubayanus-Isolate kein Maltotriosetransporter-Gen.

Außerdem zeigt die Studie, dass die irischen Isolate nur dürftig auf Maltose wachsen. Diese beiden Ergebnisse legen nahe, dass es sich bei den irischen Isolaten nicht um den direkten Elternteil der modernen Lagerhefe handelt.

Die Studie analysiert auch die evolutionären Beziehungen der Saccharomyces eubayanus-Isolate. Auf vorherigen Studien aufbauend, kann S. eubayanus in eine Anzahl verschiedener Kladen eingeteilt werden, mit der größten Diversität in Südamerika.

Phylogeny of Irist Saccharomyces eubayanus isolates.
Phylogeny of Irish Saccharomyces eubayanus isolates. From Bergin et al. (2022).

Die neuen irischen Isolate gehören zur holarktischen Klade, welche auch Isolate aus Asien und Nordamerika enthält – aber nicht aus Patagonien. Laut der Analyse des Teils des S. pastorianus Genoms, das von S. eubayanus kommt, glaubt man, dass das Elternteil der modernen Lagerhefe auch aus der holarktischen Klade stammt.

Obwohl sie aus derselben Klade stammen, sind Isolate aus Tibet interessanterweise dem direkten Elternstamm der modernen Lagerhefe ähnlicher als die neuentdeckten irischen Isolate. Das deutet darauf hin, dass die irischen Stämme nicht das direkte Elternteil der modernen Lagerhefe sind.

Wenngleich die neue Studie die Existenz einer europäischen S. eubayanus-Population belegt, führt sie auch zu der Frage, ob der direkte S. eubayanus-Elternstamm in Europa überhaupt noch existiert oder ob er ausgestorben ist und nur noch durch seinen Abkömmling S. pastorianus weiterlebt.

Trotz all der beeindruckenden Fortschritte auf molekularer, zellulärer und evolutionärer Ebene, verbleibt unser Verständnis der Ökologie von Hefen weiterhin rudimentär.“ José Paulo Sampaio, Autor von Saccharomyces eubayanus – a tale of endless mysteries

Weitere Möglichkeiten wären, dass mehr als eine Kreuzung stattfanden oder, dass mehrere adaptive Mutationen im originalen S. pastorianus-Stamm aufgetreten sind. Während die Rätsel um Saccharomyces eubayanus weiterhin gelöst werden müssen, hat uns diese Studie einen wichtigen Schritt näher zum Ursprung der untergärigen Lagerbierproduktion gebracht.

Translated into German by Carolin Kobras from the FEMS Volunteer Translation Team

About the author of this blog

headshot of Dr Sarah Wettstadt: science writer and science communicatorDr Sarah Wettstadt is a microbiologist-turned science writer and communicator writing for professional associations and life science organisations. She publishes the blog BacterialWorld to share the beauty of microbes and bacteria, is a content writer for QIAGEN and blog commissioner for the #FEMSmicroBlog. Her overall vision is to empower through learning, which is why she founded SciComm Society to coach scientists in science communication. To spark interest in science at a younger age, Sarah coordinates workshops in schools for Native Scientist in Alicante. Previous to her science communication career, she did a PhD at Imperial College London, UK, and a postdoc at the CSIC in Granada, Spain. In her non-science time, Sarah enjoys the sunny beaches in Spain playing beach volleyball or travels the world.

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